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Die Eindrücke zu sortieren, nach so vielen Monaten, die inzwischen vergangen sind, ist nicht ganz einfach. Genauso wenig, sie lebhaft nachzuerzählen. Deshalb hier noch einmal Auszüge aus dem Tagebuch des Festivals, verfasst von Dennis Diel und Marco Matthes (B.O.)

Tag I

Die Onkelz haben mit ihrer Show gestern Abend den ersten Festivaltag des Matapaloz beschlossen und daher direkt hinein ins Feuer des Festivals. Der erste B.O. relevante Teil des gestrigen Tages, beginnt um kurz vor 17.00 Uhr. Während Micha und Marco unterwegs sind, um ein paar Killer-Oneliner von Papa Roach einzufangen, mache ich mich auf den Weg zum Motordrome, um dort ca. 30 Fans “einzufangen”, die sich alle diebisch auf das unmittelbar anstehende Meet and Greet mit den Onkelz freuen. Bewaffnet mit iPad zum Datenabgleich und einem Schild zur besseren Identifizierung meinerseits (mit dem ich ein bisschen aussehe, wie ein merkwürdig dreinblickender Flughafen-Escortservice), treffen wir pünktlich ein und was folgt, ist selbstverständlich ein großes “Hallo”. Ich glaube, das war das erste Meet and Greet, bei dem es schon vom ersten Moment an keine Scheu gab, sondern direkt entweder sehr emotional oder sehr redselig reagiert wurde. Die Mädels und Jungs sind nervös, aber gut gelaunt und höflich. Zum Teil gehören sie zu den Fans, die die Onkelz auf den Weg nach Südamerika begleitet haben (und die ausnahmslos alle zum Festival und zum Meet and Greet eingeladen wurden), zum Teil gehören sie zu dem Pool der Gewinner des Eventim-Gewinnspiels an und der andere Teil hat durch selbstlos karitativen Einsatz, während der Onkelz-Show in München vergangenen Herbst, mehrere Plätze beim Treffen mit den Onkelz verdient. Das ganze Prozedere dauert eine gute halbe Stunde, danach geleiten wir die Gruppe durchs Backstage, zurück ins Infield. Es ist für alle Beteiligten, egal ob auf organisatorischer- oder Fanseite, immer wieder schön zu sehen, wie sehr sich alle Beteiligten freuen, den jeweils anderen zu sehen.

Cut. Überblende. Skip Taste auf 21.00 Uhr, Nebel- und Rauchschwaden. Hochspannung, die in der Luft liegt und es stetes Knistern erzeugt.

Komi Togbonou, der “Don Matapalo”, betritt zum fünften Mal an diesem Tag die Bühne. Er kündigt in seiner unnachahmlichen Art die Onkelz an. Und dann gibt es kein Halten, kein Entkommen mehr. Staub wirbelt auf. Das Staub durch Tanz aufgewirbelt wird, ist nichts Neues an diesem Tag, aber so krass wie beim Start der Onkelz, die direkt nach “28” mit “Hier sind die Onkelz” und “10 Jahre” los brettern, war es bislang noch nicht. Die Bühne, der Staub… Ich möchte nicht jeden einzelnen Song, der gestern Abend von den Onkelz zum Besten gegeben wurde, besprechen, sondern auf einzelne Highlights eingehen, die mir im Gedächtnis geblieben sind. So mag ich es eigentlich am Liebsten. Kein konservatives Runterrasseln der Fakten, sondern ein bisschen Hin- und Herswitchen. “Kneipenterroristen” fand ich ganz stark. Auch wenn der Song sicherlich nicht so ganz für das steht, was die Onkelz heute repräsentieren (um es mal sehr verhalten auszudrücken), ist es ein exzellenter Party-Hit. Wahnsinnig gefreut habe ich mich, als die ersten Töne von “Signum des Verrats” erklungen sind. Die Stimme Kevins klingt fantastisch und ob sie jetzt mehr oder genauso viel Druck hat, wie damals, ist mir scheißegal. Er ist jedenfalls bei allerbester Gesundheit. “Signum des Verrats” ist einer meiner absoluten Lieblings-Songs. Wenn hier jemand noch einen Tipp braucht: Zieht euch die 2000er Version rein, die auf der “Dunkler Ort” Single zu hören ist! Ach, überhaupt die Setliste… Ich könnte ins Schwärmen geraten. Dieser Spannungsbogen von gestern war einfach zum Verlieben. “Religion” wurde gespielt. Nicht die Version von 1981, keine Sorge, sondern die von 1988. Und der Song, damals schon richtig, ist heute auch so wichtig, weil er (leider) nichts an Aktualität verloren hat. Im Gegenteil. Überall auf der Welt, wo im Namen irgendeines Gottes Menschen meinen, sich und andere für eben jenen zu töten, müsste dieses Lied erklingen, dessen Text – obwohl er schon so alt ist – jeden Tag an Brisanz gewinnt. “Keine Amnestie für MTV”. Endlich wieder live! Für mich war der Song 2002 ganz, ganz wichtig. Ich fand MTV 2001 scheiße, ich mochte die vorsichtige Kooperation der Onkelz mit dem Sender nicht, und umso erfreuter war ich, als ich die Single in den Händen hielt.

“Irgendwas für nichts” wurde genauso wenig vergessen, wie “Auf die Freundschaft”, “Jeder kriegt was er verdient” und andere Hits der Memento. Bei “Stunde des Siegers” wurde so viel Staub aufgewirbelt, dass man das Gefühl hätte bekommen können, Zeuge einer Stampede in der Sahara zu sein. Übrigens: “Könige für einen Tag” wurde gespielt! Ach, und dann gab es ja – für alle Kinder der 80er Jahre – noch einen ganz speziellen Teil: Livehaftiger Horror mit fetten Visuals von Blitzen (unserer Grafik- und Kreativagentur) zu “Tanz der Teufel”. Der Song wurde mit derartig viel infernalem Feuer und Teufelszeug visualisiert, dass es mir jetzt immer noch einen Schauer über den Rücken jagt. Flammen. Hörner. Hölle.

Freddy Krüger, Lieblings-Horrorfilm-Figur meiner Kindheit, wurde auf den Screens und durch die Band zum Leben erweckt, sehr zur Verwunderung einiger Fans, die sich vorher nicht haben spoilern lassen. Für einige dürfte es gar das erste Mal gewesen sein, dass sie Freddy Krüger von den Onkelz gehört haben. Was für ein Brett. Klingenhandschuh, Schlapphut, Narbengesicht. Ich höre den Song, bzw. dessen Riff immer noch in meinem Ohr.

Dass natürlich die großen Gassenhauer gestern funktioniert haben, ist fast unnötig zu erwähnen. Die funktionieren immer. Es gab wieder viele Leuchtfeuer in der Crowd. Überhaupt, das Publikum. Es sah zum einen wirklich richtig voll aus, zum anderen war die Stimmung überragend.

Tag II:

Matapaloz 2017 ist Geschichte. Eine Geschichte, die bunter, lauter, härter, und abgefahrener hätte nicht erdacht werden können. Eine Geschichte, in die so viel Herzblut, Engagement und Zeit geflossen ist und an dessen Ende die Onkelz den Schlussakkord gesetzt haben.

Ein Festival in nur drei Monaten aus dem Boden zu stampfen ist nicht nur ambitioniert, es ist fast absurd. Dafür gibt es keine Blaupause, kein Copy & Paste, keine Anleitung im Internet. Wer die Onkelz kennt, der weiß, dass sie in jedem Schritt der Planung und in jedes Detail eingebunden waren. Unzählige Abstimmungsmeetings, Diskussionen mit Behörden und hunderte E-Mails waren notwendig, um Matapaloz zu dem zu machen, worauf wir jetzt gemeinsam zurückblicken.

Das Infield ist heute, um kurz vor 21 Uhr, noch etwas voller, als am Vortag und die Stimmung ist noch ein wenig euphorischer, habe ich das Gefühl. Das Wetter bietet beste Bedingungen, um Matapaloz einen würdigen Abschluss zu bescheren.

Kinder! Kinder! halt es pünktlich über den Ring und Komi betritt ein letztes Mal die Matapaloz-Bühne, um die Band anzukündigen, für die sich ein Großteil der Leute bereits am frühen Vormittag auf den Weg zum Einlasspunkt gemacht haben.

Als die Orchesterversion von „28“ über die PA in die Gehörgänge zehntausender Fans geschickt wird, fühlt es sich an, wie eine musikalische Injektion, die innerhalb von Sekunden ihre Wirkung im Körper entfaltet. Schaut man in das Rund des Rings, lässt sich in diesem Moment erahnen, was in den kommenden drei Stunden hier zelebriert werden wird. Gerade sind die letzten Streicher verklungen, da schlägt das Riff von „10 Jahre“ ein und verpasst allen und jeden eine akustische Ohrfeige, die sich gewaschen hat, und an die man sich noch morgen erinnern wird. Ein Opener, der von Anfang an klarstellt, wer hier der Chef im Ring ist, wird unmittelbar von „Hier sind die Onkelz“ abgelöst. Ab jetzt gibt es endgültig kein Zurück mehr, kein Entkommen. Wer jetzt noch nicht auf dem Klo war, wird die kommenden 150 Minuten durchhalten müssen. Denn die Setlist bietet neben den altbekannten Krachern an sieben Positionen eine Veränderung zum Vortag und hält auch heute wieder Perlen bereit, die teils noch niemals live aufgeführt wurden. Der Herrgott scheint bei der Konzipierung der Blase aber an alles gedacht zu haben: Die Blase eines durchschnittlichen Onkelzfans fasst 800 Milliliter, wobei schon bei 300-350 Milliliter der Harndrang einsetzt. Noch genügend Platz also, um auch die nächsten 30 Songs durchzuhalten! Und dennoch: einige Fans sind verwundert über die größtenteils zum Vortag inhaltsgleiche Setliste und machen sich hinterher zu Hunderten Luft in den sozialen Netzwerken. Ein Umstand, der schade ist, bedenkt man, dass man bandseitig nie von zwei komplett verschiedenen Shows gesprochen hatte. Sei`s drum. Kevin, der schon am ersten Tag mit brachialer Stimme glänzte, brüllt mit einer Wut und Kraft dieses „Wie eine ungekrönte Macht“ bei „Religion“ in die Menge, dass einem angst und bange werden kann. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut beim Schreiben. Mit dem darauffolgenden Solo von Gonzo, springt der Song direkt in meine Top 5 des Abends. Dort reiht sich ebenfalls „Wie tief willst du noch sinken“ ein. Eine meiner absoluten Lieblingsnummern auf der E.I.N.S., die es durch das Songvoting auf die Setlist geschafft hat. Der sägende Basssound von Stephan, in Kombination mit Gonzos Melodielinie und diesem unfassbar eingängigen Solo – der Song hat einfach alles! Inhaltlich sowieso. Die Anzahl der Handys mit Videoaufnahme in der Luft lässt für mich erahnen, dass es euch ganz ähnlich ging.

Für mich persönlich haben gerade die raren Nummern auf der Setlist gezündet. „Es ist soweit“, zum Beispiel. Das sind Songs, die fast 30 Jahre (!) alt sind und dennoch mit ihrer musikalischen Komposition noch heute direkt ins Ohr gehen. Kurz vor dem Zugabenblock gibt es noch „Ich bin in dir“ in der 2001er Version. Die Neukomposition treibt den Song voran, ohne dabei die textliche Tiefe zu verwaschen. Auf den Leinwänden erscheinen Fans mit geschlossenen Augen, die „Der Wind spricht zu mir, er wünscht mir Glück – er flüstert meinen Namen“ singen. Einer dieser Momente, wo das Licht und der Staub sich wie ein Schleier über die Menge legen. Es ist letztlich ein Tauschgeschäft in 30 Akten: Musik für Emotion. Onkelz für die Massen.

Der Zugabenblock schließt heute wieder – standesgemäß – mit „Erinnerungen“. In Erinnerung werden mir auch diese beiden Tage des Matapaloz-Festivals bleiben und ich hoffe, es geht euch ähnlich. Danke an alle Bands, die auf dem Matapaloz mit den Onkelz die Bühne geteilt haben. Wir wissen, dass das nicht selbstverständlich ist! Auch auf diesem Wege nochmal einen Dank an alle Gewerke, die seit Wochen und Monaten an der Umsetzung dieser Wahnsinnsidee eines Festivals gesessen haben. Danke an euch, dass ihr teils hunderte Kilometer auf euch genommen habt, um dieses Festivals zu erleben. Danke, für euren Support, den wir sehr zu schätzen wissen!

Damit schließen wir das Kapitel Matapaloz 2017 und schlagen eine neue Seite auf…

… die im November 2017 beschrieben wird…

Das Matapaloz zieht 2018 um. Lebwohl Hockenheim, hallo Leipzig!