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Kurz nach der Veröffentlichung der Hockenheimshows „Böhse fürs Leben“, finden sich die vier Onkelz für längere Zeit im Studio ein und schlagen sich die Nächte um die Ohren, um die ersten Fassungen ihres bis dato noch unbetitelten neuen Studio-Albums einzuspielen. Schon während der ersten Demo-Sessions wird deutlich, was es in dieser Form in der Vergangenheit nicht gab: Alle vier Bandmitglieder beteiligen sich aktiv am kreativen Prozess, sind involviert, und wo vor vielen Jahren noch Stephan und Gonzo den sprichwörtlichen Ton angaben -, sind jetzt auch die Ideen und der Einfluss von Pe und sogar Kevin zu spüren. Besonders letzterer nimmt sich – obwohl sein Input in dieser frühen Produktionsphase noch nicht benötigt wird – außerordentlich viel Zeit. Stephan und Gonzo wiederum nehmen diese neue Entwicklung, von der sie zwar hofften, dass sie eintreten möge, es aber nicht mit Sicherheit sagen konnten, sehr wohlwollend hin. Es stellt sich schon nach wenigen Tagen ein echter Band-Spirit ein, der die kompletten weiteren Arbeiten an „Memento“ beflügeln wird.
Irgendwann im Hochsommer, noch während der Fußball-Europameisterschaft, werden zwei Ideen aus der Band-Seele heraus geboren, die für die weitere Entwicklung des ersten neuen Onkelz-Albums nach zwölf Jahren Abstinenz, von großer Bedeutung sein werden. Da wäre zum einen die Idee der Band, dass sich möglichst alle Fans, die ein Onkelz-Tatttoo auf ihrer Haut tragen, im Artwork verewigen sollen. Diese Idee, von der großen Herausforderung sie umzusetzen einmal abgesehen, war schlicht genial. Die Identifikation mit den Onkelz, so die Band in ihrer Videobotschaft, sei so enorm, und die Verbundenheit der Band mit ihren Fans so stark, dass sich auch die vielen Neffen und Nichten mit ihren Tätowierungen als Teil des neuen Albums fühlen sollen. Jeder wird aufgefordert, seine Tattoos einzusenden. Anders noch, als bei den „Böhse fürs Leben“-Shows und bei der Tattoo-Galerie auf onkelz.de, bei denen die Qualität der Bilder ausschlaggebend waren, soll jetzt wirklich jedes Tattoo berücksichtigt werden. Die guten Bilder, die schlechten Bilder und auch die, die irgendwo dazwischenliegen. Wenn man noch am Anfang des Jahres dachte, dass man alles an Tattoos gesehen hätte – jedes Logo, jede „Es ist soweit“ – Variation, jedes Motiv, so wird das B.O. Team und die Kreativ-Agentur der Onkelz in Berlin eines Besseren belehrt.
In den nächsten Wochen werden tausende Tattoos gesichtet. Es folgen wahre Begutachtungs-Sessions, in denen nach allem Ausschau gehalten werden muss, was so gar nicht geht: Copyright-Verletzungen aller Art, zweifelhafte Tattoos auf nicht jugendfreien Stellen, und mehr. Während das Onkelz-Team in Frankfurt sortiert, wird in Berlin ausgeschnitten, aufgeklebt und collagiert. Von Hand.
Und weil diese Aktion so unter die Haut geht, kommt der Band auch direkt die passende Idee für einen passenden Album-Namen. Das Kind, das im Oktober erscheinen soll, wird den Namen „Memento“ tragen. „Memento“ bedeutet in etwa „gedenke“, oder „erinnere dich“. Inspiriert vom Roman „Memento Mori“ und dem Film „Memento“, beide von Jonathan und Christopher Nolan verwirklicht, und in denen sich ein Mann mittels selbst beigebrachter Tätowierungen an seine Vergangenheit erinnern muss, drückt „Memento“ gleichzeitig aber noch so viel mehr aus. Das Wort gibt Zeugnis über die Beziehung zwischen den Onkelz und ihren Fans. Eine Beziehung, die unter die Haut geht, seit 35 Jahren anhält, und so ziemlich alle Höhen und Tiefen durchritten hat, die man sich vorstellen kann. Das passt perfekt. „MEMENTO“ wird es heißen.
Derweil gehen die Demo-Sessions in die finale Phase. Auch wenn der Druck, der auf den Schultern der Band lastet enorm ist, gehen die Onkelz mit dieser – auch für sie ungewöhnlichen Situation – noch einigermaßen entspannt um. Nach ungeheuer anregenden Arbeitstagen, wird immer zusammen im Nordend gegessen. Es werden auch gerne Ausflüge unternommen – z.B. zum AC/DC Konzert in Leipzig. Der Zusammenhalt in der Band hat nicht gelitten, ist nicht geringer geworden. Im Gegenteil.
Gegen August bricht dann der entscheidende Teil der Produktion an. Gonzo und Stephan finden sich in Nashville, Tennessee ein, um zusammen mit Michael Wagener, einem echten Erfolgsproduzenten, in dessen Wire World Studios dem Album den finalen Schliff zu verpassen. Arbeitsintensive Tage und Nächte werden es, in denen alle bis weit über ihre Grenzen hinausgehen. Stephan muss gleichzeitig texten und mit Gonzo zusammen komponieren, und ist sich irgendwann, ab einem gewissen Zeitpunkt, als der Kopf nur noch am Qualmen ist, nicht mehr sicher, ob er pünktlich abliefern kann. Es gibt Diskussionen, es gibt Spannungen, auch mit Wagener, aber am Ende ziehen alle an einem Strang. In Nashville werden die Gitarren und die Bässe aufgenommen, während parallel Kevin die Songs auf Ibiza einsingt, für die Stephan mitunter erst ein paar Tage vorher die Texte fertiggestellt hat. Die Drums sind zu diesem Zeitpunkt der Produktion bereits im Kasten, aber es ist eine echte Herausforderung; eine verdammt sportliche Aufgabe, die am Ende zwar Nerven gekostet, aber auch wahnsinnig produktive Ergebnisse eingebracht hat. Irgendwann im September, da ist der Release-Termin nun nur noch wenige Wochen entfernt, kann endlich der Mix gestartet werden. Alle Songs sind im Kasten, alles sitzt an seinem Platz. Und nach ein paar weiteren „grauen Haaren“ während der Mix- und Master-Arbeiten, ist „Memento“ final fertigstellt, und bereit…