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Konzertbericht // Rostock // 12.09.2022

Das Konzert in Rostock war aus vielen Perspektiven sehr besonders. Zum einen markiert die Hansestadt die Halbzeit dieser Tournee und zum anderen gab es, so verrückt das auch klingen mag, noch nie eine Onkelz-Show in Rostock. Wir hätten im Vorfeld Geld, Haus und Hof darauf verwettet, dass wir in so ziemlich jeder größeren Stadt dieses Landes in den vergangenen 42 Jahren mindestens einmal gespielt haben, aber Rostock zählt tatsächlich nicht dazu. Doch bevor ich euch von Rostock erzähle, möchte ich die Tour-Halbzeit dafür nutzen, um einen Blick in den Rückspiegel zu werfen. Wir erleben diese Tour 2022 als einen kollektiven Rausch. Ein Rausch, durch den ihr uns tragt und der dadurch entsteht, weil wir nach jeder Show mit noch mehr Rückenwind in die Nächste gehen. Wir reiten seit zwei Wochen durchgehend auf einer Welle und sind bisher nicht nass geworden. Das fühlt sich nicht nur besonders an, das ist es auch. Wenn ich Abend für Abend diese Konzertberichte schreibe, dann sind es in der gedanklichen Retrospektive letztlich nur kleine Nuancen, die eine Stadt von der Anderen unterscheiden. Im Kern waren alle bisherigen Shows wirklich großartige Konzerte, die uns noch lange in Erinnerung bleiben werden. Das höre ich aus den vielen Gesprächen mit der Crew und lese ich in euren Kommentaren. Diese Tournee hat und wird Spuren hinterlassen. Dass die vier Onkelz zudem jedes Konzert in dieser Qualität abliefern, darf dabei nicht unerwähnt bleiben. Ist das doch genau jener Funken, den es braucht, um die Energie freizusetzen, die ein Onkelz-Konzert so besonders macht. 

Halbzeit. Die Zeit ist ein Dieb! Gefühlt waren wir doch vorgestern erst in Oberhausen und gestern in Dresden. An dieser subjektiven Wahrnehmung von Zeit, forschen übrigens viele kluge Köpfe seit Jahrzehnten. Warum ist der Rückweg gefühlt immer kürzer als der Hinweg? Warum rauscht die Zeit an uns vorbei, wenn wir das machen, was uns begeistert und uns Freude bereitet? Und warum bleibt sie sprichwörtlich stehen, wenn wir zum Beispiel auf etwas warten müssen? Mit zunehmendem Alter entwickeln wir so viele Handlungsroutinen, dass uns die Zeit viel kürzer vorkommt, als in jüngeren Jahren. Kinder beispielsweise, haben ein völlig konträres Gefühl zur Zeit und nehmen den Augenblick dadurch viel intensiver wahr, weil ihnen die Handlungsroutinen noch fehlen. Als ich in Rostock aus dem Graben die vielen Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern sehe, die strahlenden Augen und die unverzerrte Begeisterung und Freude, wünsche ich mir, ich könnte diese Onkelz-Tour noch einmal aus der Perspektive eines Kindes erleben, verbunden mit dem Wunsch, dass die Zeit niemals ende. Das Intro reißt mich aus diesem Gedanken, ich versorge die vielen Kinder im Graben mit Autogrammkarten und Plektren und begebe mich in freudiger Erwartung dieser Show an den Rand der Bühne. 

Früher am Tag. Wir kommen gegen Mittag in der Produktion an und beziehen unser Büro. Die Messehalle imponiert im Stile eines Flugzeughangars. Die Decke ist mit dicken Holzbalken überzogen und ansonsten ist darin genau nichts. Keine Tribüne, keine Logen, kein gar nichts. Purer Rock´n´Roll eben. Die Halle selbst ist, wie der Name bereits nahelegt, eine Messehalle. Das bedeutet auch, dass die Statik und die Deckenkonstruktion in aller Regel nicht dafür ausgelegt sind, sehr schwere Lasten zu tragen. Und die Bühne der Onkelz, oder besser: die Anbauten, Traversen etc. sind sehr schwer und vor allem sehr breit. 24 Meter breit, um genau zu sein. Das machte im Vorfeld einige Umplanung unserer hervorragenden Bühnen-Crew notwendig. So wurde in Rostock eine Art Bühnenrahmen in die Halle gestellt, woran u. a. die Aufhängungen für Licht und Ton vorgenommen wurden. Weil nur etwas mehr als 20 Meter in der Breite zur Verfügung standen, mussten die Aufhängungen etwas verändert werden. Am Ende stand dieser Koloss aus Stahl aber auch in der Rostocker Messe Halle und der Einlass konnte beginnen.

Der Vorplatz der Messehalle sowie die Messehalle selbst füllte sich schnell und schon früh wurde in der Halle klar, dass die Nummer hier in Rostock eine sprichwörtlich sehr heiße werden würde. Kam man von draußen in die Halle, hatte das Gefühl auf der Haut etwas von finnischer Dampfsauna, dabei hatte das Konzert noch gar nicht begonnen. Diese Hitze potenzierte sich mit jeder Minute bis zum Show-Start. 

Dieser begann dann auch gewohnt pünktlich um 20:40 Uhr mit dem Intro, begleitet von “Oh, wie ist das schön”-Chören. Rostock, hier geht was, dachte ich noch, als mit “Hier sind die Onkelz” der Beweis angetreten wurde, dass hier heute Abend viel gehen würde. Die Band war vom ersten Ton an sofort präsent und voller Spielfreude bei ihrem Debut in Rostock und die Fans gleichermaßen ausgehungert nach den Onkelz. Die richtigen Zutaten für eine fette Onkelzparty! Stephan, im Rausch der Emotionen und Euphorie, vergaß dabei glatt den “Netten Mann” an dritter Stelle und sagte stattdessen zunächst “Finde die Wahrheit” an. Live ist eben life! Als dann tatsächlich “Finde die Wahrheit” gespielt wurde und tausende Hände in Richtung dieser schönen Hallenkuppel gestreckt wurden, sprang der Funken zwischen Band und Fans endgültig über und zum ersten Mal war dieser Rostocker Chor im Refrain deutlich lauter als die PA. Selbst in den außerhalb befindlichen Containern war das „Oooooh“ noch deutlich zu hören. Stark! 

Die Luft in der Halle konnte man mittlerweile mit einem handelsüblichen Brotmesser schneiden und Gonzo rann der Schweiß von den Armen über den Gitarrenhals. An aufgeben war allerdings nicht zu denken und wir hatten ja noch ⅔ der Setliste vor uns. Rostock feierte bei “Kuchen und Bier” klatschend, Rostock feierte bei “Stunde des Siegers” singend (mindestens Top3 der Tour, was die Lautstärke im Refrain angelangt) und Rostock feierte auch “Leere Worte”. Rostock feierte einfach jedes Lied, jede Textzeile von vorn bis hinten und wieder zurück. 

Mit “Flügel für dich” und “Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf” bot die Setliste sodann wieder zwei Songs zum Verschnaufen und kurzem Innehalten. Das war nach den Brechern zuvor auch irgendwie ganz angenehm. Rostock zeigte sich auch hier textsicher, viele um mich herum liegen sich in den Armen, schließen die Augen und genießen gemeinsam den Moment. Vor mir steht ein Junge, vielleicht 8 Jahre, der alle Songs, einschließlich dieser neuen Stücke, perfekt auswendig kann. Chapeau, ich konnte mit 8 Jahren gerade so den Refrain von “Biene Maja”, kommt es mir in den Sinn. 

In den Sinn kommt mir gerade auch noch “Keine Amnestie für MTV”. Immer, wenn die beschriebene Zeit bei den ruhigen Songs des Sets etwas langsamer vergeht, deine Gedanken einen Ausflug zu dir selbst machen, reißt dich diese Nummer wieder zurück in die Gegenwart. Eine Achterbahnfahrt durch alle Emotionen! “Keine Amnestie für MTV” ist von vorn bis hinten ein Schlag mitten ins Gesicht. Jede Note, jedes Wort sind mit Perfektion gesetzt und pflügen sich in etwas mehr als drei Minuten unaufhaltsam durch die Halle. Der perfekte Auftakt für den Schlussakkord in Rostock. 

Dieser wurde mit “Wir ham noch lange nicht genug”, wo wieder tausende Hände klatschten und nochmal alle Kraftreserven bei der Band und den Fans aktiviert wurden. Bilder, die sich in unsere aller Erinnerungen einbrennen werden. Bei “Heilige Lieder” sehen wir Gonzo wieder im Graben und das Funkeln in den Kinderaugen überstrahlt jeden Spot an der Bühne. Erst eine Autogrammkarte, dann ein Plektrum und am Ende noch Gonzo so nah – hier fallen Weihnachten und Geburtstag auf einen Tag. 

In Rostock muss natürlich auch “Auf gute Freunde” erwähnt werden. Der Song, der es zum festen Bestandteil des FC Hansa Rostock geschafft hat und der bei jedem Heimspiel lauthals mitgesungen wird. Eine Szenerie, die wir unbedingt mal live erleben müssen und die wir bislang nur von verschiedenen Youtube-Clips kennen. Gänsehaut! Danke, dass ihr unsere Songs so in die Stadien tragt! 

Apropos Stadien: Es ist 22:42 Uhr, als das mittlerweile allseits bekannte: “Was wollt ihr hören?” durch die Rostocker Messe schallt. Und die Halle antwortet: “Mexico!” Stephan fragt nochmal: “Was wollt ihr hören?” und Rostock antwortete in einer Lautstärke, die noch kilometerweit hörbar gewesen sein musste: “Mexico!”. Und schon beginnt die wilde Fahrt von Rostock nach Mexiko und zurück in knapp vier Minuten. Der endgültige Abriss der HanseMesse naht und “Nichts ist für die Ewigkeit” sowie “Viva los Tioz” bilden den krönenden Abschluss einer mehr als gelungenen Premiere der Onkelz in Rostock.

Wir sagen danke, Rostock! Danke für dieses sensationelle erste Onkelz-Konzert in unserer Geschichte in eurer schönen Stadt. Es war uns ein Fest, an das wir uns noch lange gemeinsam erinnern werden.

Text // Marco Matthes

Fotos // Christian Thiele

Illustration // Lennard Menkhaus

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