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Halbfinale der Tour und das in Kempten. Moment mal, Kempten? Das wird doch nicht etwa schon wieder… – Dieses Mal wollte ich wirklich ganz sicher gehen: Recherchen im Archiv, Befragung des Onkelz-Ältestenrats und selbst die Standleitung nach Soledad de Graciano Sánchez in Mexiko ergaben jedoch keinen Treffer. Es besteht kein Zweifel: Onkelz-Premiere auch in Kempten! Wenn ich richtig gezählt habe, nach Rostock und Nürnberg (hier spielten nur diese “Los irgendwas”), somit die dritte Premiere auf dieser Tour 2022 in Kempten. Möchte man sich vorab, wie ich zum Beispiel, über Kempten informieren und sucht danach im Internet, findet man übrigens ganz oben die Webseite der Stadt und darunter als ersten Eindruck: “Kostenfreie Menstruationsartikel in Kempten.” Lassen wir das einfach mal so stehen. Also den Satz, meinte ich.
Wenn man eine so großartige Tour auf so konstant hohem Niveau spielt, dann steht man am Ende gleichermaßen dankbar und zufrieden im Halbfinale. Und wie schon 1986, bei der WM in Mexiko, brauchte es auch im Viertelfinale in München letztlich die Verlängerung des zweiten Tages, um am Ende siegreich und euphorisch in dieses Halbfinale in Kempten zu ziehen.
Das ist das vorletzte Konzert dieser Tour, geht es mir auf der Fahrt von München nach Kempten immer wieder durch den Kopf. Schwer zu beschreiben, wie sich das anfühlt. Nach knapp zwei Stunden Fahrt im Nightliner bin ich der Antwort allerdings noch immer nicht näher und deshalb schiebe ich den Gedanken bis nach Köln einfach beiseite.
Die BigBox in Kempten dürfte wohl die kleinste Halle dieser Tournee gewesen sein und bietet Platz für knapp 9.000 Zuschauer. Innen gibt es einige Sitzplätze, viel industriellen Charme und Kronleuchter, die von der Decke hängen. Eigentlich ziemlich geil, denke ich, als wir am Vormittag in der Halle ankommen. Hatte so ein bisschen was von Clubtour. Draußen wurden indes Reihen abgesperrt, wie am Flughafen, um offenbar dem Ansturm der Fans gerecht zu werden. Wie nahezu alle Konzerte dieser Tournee, war auch die BigBox in Kempten heute Abend restlos ausverkauft. Deshalb gab es für die Band vor der Show auch den Sold-Out Award, in Form einer Kuhglocke. Diese Kuhglocke sollte später am Abend dann auch noch zum Einsatz kommen.
Währenddessen füllte sich der Vorplatz, den man extra weiträumig abgesperrt hatte und ein Blick über die Szenerie offenbarte schon mal die beste Festtagsstimmung hier im Allgäu. Auch die Stimmung innerhalb der Crew war heute nochmal deutlich gelöster und entspannter. Vielleicht lag es am Ausblick auf die eigenen vier Wände, aber auch die beiden Tage in München, die ja filmisch begleitet wurden, erforderten auf verschiedenen Positionen viel Anspannung und Konzentration. Diese Anspannung, so war heute Abend mein Eindruck, viel in Kempten ab und das wiederum korrelierte hervorragend mit der Stimmung der Fans. Beides ergab letztlich eine fast volksfestähnliche Atmosphäre, die uns allen eine Menge Spaß machte.
Und so startete dieses Halbfinale auch entsprechend fulminant und stimmungsvoll mit “Hier sind die Onkelz” und “So sind wir” als Anstoß an diesem Abend. Das Publikum in Kempten war sofort auf Augenhöhe von Mexico ´86 und die Onkelz mit gewohnt souveräner Spielführung, direkt und kompromisslos nach vorn. Kevin stimmgewaltig in der Spitze, Stephan und Gonzo auf den Sechsern und Pe schob von hinten wie ein Uhrwerk an. Das hier ist keine Beschreibung der ersten Show, nein, es ist die Beschreibung nach der 17. Show dieser Tournee! In Worten: siebzehn! Das bedeutet 17 Mal “Hier sind die Onkelz”, zum 17. Mal “So sind wir”, “Stunde des Siegers”, “Finde die Wahrheit” usw. und das auf diesem Niveau und mit dieser Spielfreude. Chapeau, meine Herren!
Bei “Kirche” kam dann die bereits erwähnte Kuhglocke zum Einsatz, indem Kevin diese zu Beginn des Songs einfach als Kirchenglocke umfunktionierte. Sicher eines der Bilder, die uns noch weit nach dieser Tour in Erinnerung bleiben werden. Auch in Erinnerung bleiben wird uns euer Einsatz Abend für Abend bei “Terpentin”. Das Ganze hat sich in den Kommentaren bei Facebook ja mittlerweile zu einem amtlichen Wettstreit zwischen den Städten entwickelt, bei dem minutiös auf Regelverstöße und die korrekte, auf die Millisekunde genaue Zeitnahme geachtet wird. Videobeweis übrigens inklusive. Am Ende, liebes Kempten, hat es an diesem Abend leider nicht gereicht. Mit 4:27 Minuten wart ihr dann doch deutlich unter der Zeit von München am zweiten Tag. Gemessen an dem, was ihr stimmungstechnisch, aber sonst so an diesem Abend abgerissen habt, kann und darf das nur eine Randnotiz sein.
Wir verließen Kempten noch in der Nacht schön verschwitzt und mit einem breiten Grinsen. Ungefähr so breit wie das der Nationalmannschaft gewesen sein dürfte, als man Frankreich im Halbfinale 1986 in Guadalajara mit 2:0 aus dem Turnier kegelte. Dass das Finale gegen Argentinien am Ende tränenreich verloren ging, soll selbstverständlich kein Omen für das Grande Finale in Köln darstellen.
Kempten, danke für diese mehr als gelungene Premiere in eurer Stadt! Das hat uns großen Spaß gemacht und es gibt genau den Rückenwind, den wir für das Finale übermorgen gut gebrauchen können.
Siegesgewiss, fahren wir nach Köln! Letzte Chance für einen Titelwechsel…
Text // Marco Matthes
Fotos // Christian Thiele
Illustrationen // Lennart Menkhaus