Diskographie

zurück

Das Jahr 1990 entwickelt sich im Sommer zu einem der dunkelsten Jahre für die Böhsen Onkelz. Kevins Drogeneskapaden in der „28“ inspirieren Stephan zu den düstersten Texten, die er je geschrieben hat. Songs wie „Leiden“, „Necrophil“ und „Hast du Sehnsucht nach der Nadel“ drücken diese Stimmung eindrucksvoll aus. Am 1. August 1990 erscheint dann das siebte Studioalbum „Es ist soweit“. Das Cover der Platte ist eine Collage eines unveröffentlichten Comics von Jean-Ullysses „Olle“ Völker, einem guten Freund von Pe, das in vier Teilen aufgeteilt ist. Das Album, aufgenommen im Tanith-Studio, verkauft sich in den ersten zwei Wochen bereits mehr als 30.000 Mal. Es soll das letzte Kapitel der Zusammenarbeit mit Metal Enterprises sein.

Setzt man „Es ist soweit“ in den Kontext der vergangenen sechs Studioalben, dann wird schnell deutlich, dass sich die Band musikalisch deutlich weiterentwickelt hat. Die Texte wirken reifer, tiefgründiger und gleichzeitig aber auch viel schwermütiger. Der musikalische Teil ist dagegen noch rauer, direkter und mit deutlichem Metal-Einschlag. Das Riffing und die Soli sind eingängiger und der Schulterschluss zwischen Text und Musik insgesamt homogener.

Zum ersten Mal kanalisiert die Band ihre Wut auf die vergangene und anhaltende Berichterstattung in einem Song. Es bestand kein Zweifel, der Graben zwischen Presse und Onkelz war so tief, dass nie wieder jemand ersthaft wagen konnte, diesen zu überqueren. Spätestens ab jetzt gab es genau zwei Lager: Die einen, die Fans der Band waren und die einen Scheiß auf die Berichterstattung der selbigen gaben und die Presse, die mit aller Macht versuchte, dem Onkelz-Spuk ein Ende zu setzen: „Sie haben es versucht, doch es nie geschafft – Ihre Lügen sind unsere Kraft“ Nach genau 4:12 Minuten sind die Fronten geklärt. Songs, die mit irgendetwas oder irgendwem abrechnen liegen Weidner besonders gut. Gepaart mit Kevin´s unnachahmlicher Stimme, ergibt “Es ist soweit“ eine explosive Mischung, die kompromissloser nicht sein kann. Die Band und insbesondere Stephan hatten sich von Anbeginn stets viel wichtiger genommen, als sie zu diesem Zeitpunkt in Wirklichkeit waren. Jeder soll wissen, wie geil die Onkelz sind. Freunde, Bekannte, Feinde. Wenn man letztere nicht durch Rufen überzeugen kann, versucht man es mit Schreien. Auch das gehört zu den Onkelz: Grenzenloser Pathos und Selbstbeweihräucherung, die heute betrachtet zwar wichtig für die Bandmotivation waren, aber irgendwann auch leicht überstrapaziert wirkten.

Hatte man sich gerade vom Opener „10 Jahre“ erholt, wird man durch „Nekrophil“ tief in die Abgründe der menschlichen Psyche gezogen. Stephan musste nicht Protagonist seiner Songs sein, um die Gefühlswelt kranker Menschen in Worte zu fassen. Die Eigenschaft, dass er allerdings diese Songs – wie schon bei Bomberpilot, dem „netten Mann“ – aus einer „Ich“-Perspektive schrieb, gibt den Zeilen plötzlich Persönlichkeit und nimmt ihnen die Abstraktheit der dritten Person:

„Ein nackter Leib, ein böses Lied, eine Lüge, ein kurzer Hieb. Dass ich sie liebe – erfährt sie nie. Denn ich mein Freund bin nekrophil“

Mit „Wilde Jungs“ und „Nichts ist für die Ewigkeit“ folgen zwei „typische“ Onkelz-Hymnen. „Nichts ist für die Ewigkeit“ ist eine Auseinandersetzung und Reflektion der 10-jährigen Bandhistorie. Insbesondere das überwiegend-bewusste Missverstehen ihrer Texte verarbeitet die Band in diesem Stück: „Glaubst du, dass ich Kinder töten kann? Glaubst du, ich bin nekrophil?“

und weiter „Fragen über Fragen, es ist nicht leicht uns zu verstehen. Denken kann nicht schaden – vielleicht kannst du die Wahrheit sehn“

Ironie ist schon zur damaligen Zeit eines der beliebtesten Stilmittel Weidners. Eines, das manchmal so subtil daher kommt, dass man Kritikern nicht immer vorwerfen kann, die Songs nicht richtig zu interpretieren. Man musste sich auskennen, um oftmals das zu verstehen, was die Band einem mitteilen wollte. Man benötigte Milieu.- und Szenekenntnisse und man sollte im Mindesmaß über ähnliche Erfahrungen verfügen, dann durfte man sich ein Urteil erlauben und die Texte interpretieren. Eins wurde schon 1990 klar und deutlich: Wenn man sich den auf den ersten Blick krassen, bedeutungsschwangeren und leicht missverständlichen Texten Weidners aus einer abgehobenen, unwissenden Elfenbeinturmsicht näherte, dann begriff man nichts. „Nichts ist für die Ewigkeit“ war damals schon eine klare Ansage, dass man – besonders als Fan – gerne den eigenen Kopf zum Denken benutzen durfte. Keiner aus der Band konnte erahnen, wohin sie die Reise mit diesem Song im Gepäck noch bringen sollte…

Kevins Drogensucht ist allgegenwärtig. Das Leid, die Schmerzen und die Fratze seiner Sucht haben ihn bereits fest in der Hand. Die Band betrachte Kevin´s Entwicklung mit zunehmender Sorge. In „Hast du Sehnsucht nach der Nadel“ singt Kevin erstmals auf einem Album über seine Selbstzerstörung:

„Du rufst nach mir, ich bin bereit. Erst der Rausch, dann tiefes Leid. Du stehst vor deinem eigenen Grab, sieh hinein, bald kommt der Tag“

Tracklisting Es ist soweit

Tag, ihr Lügner
Ihr wißt schon wen ich meine
Ich mein‘ die Medien
Die Großen wie die Kleinen
Wir war’n euch wohl nicht glatt genug
Ihr könnt uns nicht versteh’n
10 Jahre ging es ohne euch
Auf die nächsten zehn

10 Jahre – die gleiche Scheiße
10 Jahre – das alte Lied
10 Jahre – und kein bißchen weise
10 Jahre – Onkelz wie man sie hasst und liebt

Hört nicht auf ihr Gerede
Glaubt nicht ihre Lügen
Hirne voller Scheiße
Die sich selbst betrügen
Sie haben es versucht
Doch es nie geschafft
Ihre Lügen sind unsere Kraft

Ein nackter Leib, ein wilder Kuss
totes Fleisch, das kalt sein muss
Ihr Duft von Fäulnis, der mich betört
Worte von Liebe, die sie niemals hört

Bin ich Mensch, oder
bin ich ein Tier,
oder bin ich nur so wie Du?

Ein nackter Leib, ein böses Lied
eine Lüge, ein kurzer Hieb
Dass ich sie liebe, erfährt sie nie
denn ich, mein Freund, bin nekrophil

Wir waren jung und stolz, wir hatten nichts zu verlier’n,
die ersten Tattoo’s, das erste Mal rasier’n.
Wir waren wilde Jungs, wir hatten viel zu lernen,
oft fiel man auf die Schnauze bei dem Griff zu den Sternen.

Wir sind wilde Jungs, wir haben nichts zu verlier’n,
wir wollen alles oder nichts, wir haben schlechte Manier’n.
Wir leben jeden Tag, als ob’s der letzte wär‘,
wir sind der Schrecken der Nation, das ist doch nicht schwer?!

Mit dem Teufel im Leib, mit dem Kopf durch die Wand,
Mit schmutzigen Liedern verderben wir das Land.
Solange bis Johannes trinkt, bis Helmut dieses Lied mitsingt!

Glaubst Du alles, was ich sage?
Glaubst Du, Du weißt wer ich bin?
Stellst Du niemals Fragen
Warum wir wurden, wie wir sind?

Die Ironie, mit der wir spielen
Die Ihr so schwer versteht
Der Schatten im Verstand
Der in jedem von uns lebt

Nichts ist für die Ewigkeit
Nichts ist, wie es war
Nur vier Jungs aus Frankfurt
Sind schon lange, lange da
Die Welt hat uns verlangt
Sie hat nichts Besseres verdient
Habt ihr noch nicht erkannt
Warum es „Böhse Onkelz“ gibt?

Glaubst Du, dass ich Kinder töten kann?
Glaubst Du, ich bin nekrophil?
Denkst Du, dass ich nur besoffen bin?
Wie es ist erfährst Du nie

Fragen über Fragen
Es ist nicht leicht uns zu versteh’n
Denken kann nicht schaden
Vielleicht kannst Du
Vielleicht kannst Du die Wahrheit seh’n

Nichts ist für die Ewigkeit
Nichts ist, wie es war
Nur vier Jungs aus Frankfurt
Sind schon lange, lange da
Die Welt hat uns verlangt
Sie hat nichts Besseres verdient
Habt ihr noch nicht erkannt
Warum es „Böhse Onkelz“ gibt?

Ich bin Dein Traum – schlaf endlich ein
Lass uns diese Nacht zusammen sein
Dinge die sonst verborgen sind
Illusionen nur für Dich mein liebes Kind

Wenn Du einsam bist
Rufe nur nach mir
Wenn Du mich vermisst
Komme ich zu Dir
Wenn Du einsam bist
Rufe nur nach mir
Hast Du mich vermisst

Es ist nicht schön, was Du da siehst
Doch Du bekommst, was Du verdienst
Jede Nacht hat ihren Preis
Es gibt doch noch soviel
Von dem Du nichts weißt

Sie war meine erste Liebe
Sie war wunderschön
Sie lächelte mich an
Es war um mich geschehn

Sie drang tief in meine Haut
Dies Gefühl vergess ich nie
Diesen bittersüßen Schmerz
Keine andere ist wie sie

Keine ist wie Du
Keine ist wie Du

Es kam die Zeit
Sie war allein
Es musste was passiern
Ich fragte sie, was darfs denn sein
Sie sagte: tätowiern
Sie drang tief in meine Haut
Dies Gefühl vergess ich nie
Diesen bittersüßen Schmerz
Keine andere ist wie sie

Du sagst, ich nehm‘ Dir Deine Sorgen,
den Schmerz – die Einsamkeit.
Deine Ängste vor dem Morgen,
mach Dich für mich bereit!

Willst Du was erleben,
was noch nicht geschehen ist?
Suchst Du jemanden zum Reden,
der gar nicht bei Dir ist?
Hast Du Sehnsucht nach der Nadel,
nach ner kleinen Injektion?
Kannst Du es kaum erwarten,
ich bin Deine Religion!

Du rufst nach mir, ich bin bereit,
erst der Rausch, dann tiefes Leid.
Du stehst vor Deinem eignen Grab,
sieh‘ hinein, bald kommt der Tag!

Willst Du was erleben,
was noch nicht geschehen ist?
Suchst Du jemanden zum Reden,
der gar nicht bei Dir ist?
Hast Du Sehnsucht nach der Nadel,
nach ner kleinen Injektion?
Kannst Du es kaum erwarten,
ich bin Deine Religion!

Da ist noch was – tief in mir drin
Ein Schatten im Verstand
Er ist ein Teil von mir
Es hat mich in der Hand
Gedanken werden Früchte
Die verdorben sind
Es schickt mein Hirn auf Reisen
Ich weiß nicht mehr, wer ich bin

Ich führ‘ Dich in den Himmel
Ich zeig‘ Dir Dein Paradies
Ich laß die Engel für Dich singen
Ich zeig‘ Dir Dein Paradies

Du warst einsam
Und ich hatte gerade Zeit
Dein Zustand ist nicht gut
Manchmal gehe ich zu weit
Hilflos so am Boden
Fühlst Du Dich nicht gut
Die pure Angst umhüllt Dich
Wie ein dunkles Tuch

Schau Dich an
Was kannst Du seh’n
Bist Du zufrieden
Oder glaubst Du auch
Es müsste was geschehen

Das Leben ist ein Spiel
Du kannst gewinnen und verlier’n
Willst Du nur im Schatten steh’n
Und nie etwas riskier’n

Keine Tränen
Du hast es in der Hand
Fang an zu leben
Scheiß auf Regeln
Und benutze Dein‘ Verstand

Der letzte Tag
Das Warten Endet
Ich denke nach
Man fesselt mir die Hände
Träumen kann nichts schaden
Ja, ich sehe sie vor mir
Ihre angsterfüllten Blicke
Wieder spür ich diese Gier

Verbranntes Fleisch
Dunkelheit
Dann helles Licht
Es ist soweit

Mein Herz schlägt schnell
Mein Geist versinkt
Ich schmecke Tod
Das Ritual beginnt
Mein Lachen klingt hysterisch
Ich kann nichts dafür
Das Ende vor den Augen
Den Wahnsinn vor der Tür

Komm‘ schon lass‘ uns leiden
Lass‘ uns träumen geh’n
Lassen wir uns treiben
Ich will das Schwarze seh’n
Ich will das Schwarze seh’n

Ich will leiden
Ich will leiden
Lassen wir uns treiben
Ich will leiden

Wir leben Stunden in Sekunden
Die Angst ist uns vertraut
Wir drehen einsam unsere Runden
Die Nacht ist unsere Braut

NACH OBEN