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Ursprünglich sollte das 1987 erschienene vierte Studioalbum der Onkelz „Die Böhsen Onkelz geben sich die Ehre“ heißen. Diesen Namen verwirft die Band allerdings wieder und tauft das neue Werk „Onkelz wie wir“. Während Herbert Egoldt sich weiterhin fleißig um die Auswertung seiner Rechte der alten Songs kümmert, verlassen die Böhsen Onkelz sein Label und unterschreiben einen ähnlichen Vertrag bei Ingo Nowotny, dem Inhaber des „Metal Enterprises“ Label aus Usingen. Anfängliche Versprechungen von Nowotny erweisen sich jedoch bald als Luftblasen und leere Worte, so dass die Band auch hier schnell unzufrieden wird. Hinzu kommen häufige Streitereien zwischen Stephan und Nowotny, der oft versucht, die Band nach seinen Vorstellungen zu formen. Im Herbst 1987 erscheint schließlich das erste Metal Enterprises Album – „Onkelz wie wir“, das nicht nur in seiner Gesamtheit ein reines Rockalbum ist, sondern auch textlich die Abkehr von der „Szene“ und den Weg in eine neue Richtung deutlich machen soll. Besonders der neue Song „Erinnerungen“ gilt als klarer Hinweis auf den Ausstieg und entwickelt sich über die Jahre zu einer der beliebtesten Onkelz-Hymnen.
Nowotny hatte Blut geleckt. Er konnte zwar nicht viel, aber den Zusammenhang zwischen den Böhsen Onkelz und der Vermehrung seines Geldes, hatte er verstanden. Im Alleingang übernimmt er die Gestaltung der Platte. Schließlich war Zeit = Geld und das will er lieber gestern als heute vermehren. Es kommt, wie es immer kommt, wenn sich jemand Mühe gibt, aber eigentlich ein Schaumschläger ist. Das Cover war ohne Bandabsprache in den Druck gegangen und auch die Striche im Wort „Böhse“ waren deplatziert.
Die Platte verkauft sich zu dieser Zeit rund 16.000 Mal, ein sehr ordentliches Ergebnis. Zwar befassen sich die Texte nach wie vor überwiegend mit Alkohol- und Gewaltexzessen, aber die Produktion fällt insgesamt rockiger und noch eingängiger aus. Musikalisch bewegten sie sich in Richtung Heavy-Metal. Schon länger hatte die Band die englischen Krawallbands gegen Motörhead, Slayer, D.R.I. oder Nuclear Assault getauscht. Mit „Onkelz wie wir“ hatte Weidner nach „Der nette Mann“ und „Ein Mensch wie du und ich“ zudem abermals ein Stück geschrieben, das sich mit Missbrauch und Perversionen gegenüber Kindern befasste.
Zum Album „Onkelz wie wir“ veröffentlicht die Band – wie bereits zu „Böse Menschen – Böse Lieder“ auch ein VHS Studio-Video, auf dem sich der erste Musikvideo-Clip „Von Glas zu Glas“ befindet. Nachdem die erste Auflage sofort vergriffen ist, wird die VHS nicht neu aufgelegt. Im Clip zum Song „Von Glas zu Glas“ ist Pe zu sehen, der mit den anderen vier Jungs feiert und säuft und einen weiblichen Gast mit steigendem Alkoholpegel immer attraktiver findet.
Hier seht ihr Ausschnitte aus der „Onkelz wie wir“ Kaufkassette:
Die Onkelz hatten sich endgültig von der Skinhead-Szene abgenabelt. Die Haare wachsen, das Umfeld verändert sich, neue Bands werden entdeckt und schließlich beeinflusst es auch ihre eigene Musik. Der Weg bis hierher war mitnichten einfach. Für die Einen sind sie Verräter der Szene. Die Musik weichgespült und kein Vergleich mehr zu den ersten Jahren. Für die anderen ist die Abkehr von der Szene unglaubwürdig und deshalb verlogen. Sie bohren und stochern im Dreck und suchen nach etwas, was es nicht gibt. Für die Onkelz wäre vieles einfacher gewesen, hätten sie den bequemen Weg gewählt: Sie hätten das Aushängeschild einer politisierten Szene werden können. Die Verkaufszahlen zeigten einen deutlichen Trend, die Fanbase wuchs unaufhaltsam und die Bekanntheit stieg mit jedem Jahr. Die Band entschied sich jedoch dazu, die Ader in die Szene zu kappen. Sollte der Preis dafür sein, dass sie wieder bei null starten müssen, dann nahmen sie das in Kauf.
Ihre Gedanken zum Abschied aus der Skinhead-Szene fasst Stephan im Stück „Erinnerungen“ auf der „Onkelz wie wir“ zusammen. Jedes Wort, jede Zeile, ist ein Blick zurück auf die letzten Jahre. Es ist Ausdruck dessen, was sie fühlen. Die Onkelz haben sich entfernt und diese Entscheidung ist endgültig. Es ist kein Abschied mit Hass und Aggressionen, sondern ein versöhnlicher letzter Gruß an alte Weggefährten. Die Band war gereift, was sich auch darin zeigt, dass sie ihr tun reflektierten und daraus Schlüsse ziehen. Die Doc-Martens und die Bomberjacke waren ihnen zu klein geworden, das Szene-Korsett zu eng. Die vergangenen Jahre sind Teil ihrer Geschichte geworden. Es wird Zeit, ein neues Kapitel zu schreiben.
Von Glas zu Glas zum Morgen danach
Kevin ist in der Zwischenzeit zu einem der angesagtesten Tätowierer Frankfurts aufgestiegen. Er arbeitet bei Alf Diamond im Tattoostudio auf der Dreieichstraße. Moni war zu ihm in die Weberstraße 28 gezogen. Jene „28“, die zum Zentrum für polytoxische Experimente an lebenden Menschen verkommen ist. Kevin verdient über seinen Job ordentlich Kohle. Seine Haare werden länger und als letzter der Band lässt auch er die Skinhead-Szene hinter sich und kappt die Kontakte. Seine Aggressionen bleiben. Es scheint, als seien Gewaltexzesse und Schlägereien die einzige Konstante in seinem Leben. Es brauchte nicht viel, um Kevin zu provozieren. Wenn das Fass – welches ohnehin immer voll war – überlief, dann war Kevin nicht mehr zu halten. Eines Abends im „Klapperkahn“ – einer Kneipe in Sachsenhausen – ist es mal wieder soweit. Kevin und Trimmi haben sich so dermaßen volllaufen lassen, dass es mit einem anwesenden Typen schnell ein Wortgefecht gibt. Nachdem er am Tresen zwei Köpfe zusammengeschlagen hatte, kippt die ohnehin explosive Stimmung um und die Massenschlägerei beginnt. Es ging zu wie bei Bud Spencer und Terence Hill. Ehe Kevin sich versieht, sitzt Stefan Winter, eine Kampfmaschine, auf seiner Brust. Stefan bricht ihm drei Rippen und schlägt immer wieder mit einem Barhocker auf Kevin ein. Er konnte von Glück reden, dass Auge, ein bärtiger stadtbekannter Rocker“, ebenfalls anwesend ist und Stefan vor die Tür setzt. Kevin war erstaunlicherweise mit stark blutenden Wunden davongekommen.
Wenn er morgens um 05:30 Uhr nach Hause kommt, muss Moni schon bald wieder aufstehen und arbeiten. Immer mit ein, zwei, drei oder mehr weiteren Leuten im Schlepptau entert er die „28“ und dreht sofort die Anlage auf Höchstleistungen. Dann spucken sie gegen Wände, auf den Teppich, kotzen ins Klo, in Eimer und vom Balkon. Moni ist 87 am Ende ihrer Kräfte und Kevin am Anfang seiner Reise in die Hölle. Würde sie jetzt nicht aussteigen, gäbe es keine Haltestelle mehr für sie. Im Herbst ´87 zieht sie in den Sandweg und verlässt die „28“. Dieser Schritt ist mit viel Schmerz und Tränen verbunden, aber Moni zu intelligent, um nicht den Ernst ihrer Lage zu verstehen. Während sie ihre neue Wohnung im Sandweg einrichtet, feierte Kevin weiter die schlimmsten Feiern in der „28“, die jenseits jeder Vorstellungskraft liegen, wenn man nicht live dabei ist. Hatte sich erstmal die Tür hinter einem verschlossen, kam man nicht mehr aus der Wohnung. Manchmal kam niemand vor 4 Tagen aus der Wohnung. Die „28“ ist ein rechtsfreier Raum, um den die Polizei einen großen Bogen macht. Drinnen sind Gestalten und eine Szenerie, die einem unweigerlich Herpes auf die Lippen trieb.
Tracklisting „Onkelz wie wir“:
- Onkelz wie wir
- Von Glas zu Glas
- Erinnerungen
- Bomberpilot
- Dick + Durstig
- Falsche Propheten
- Am Morgen danach
- Schöner Tag
- Heut Nacht
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