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Nach der Veröffentlichung der „Es ist soweit“ sind die Onkelz erneut ohne Vertragspartner in der Branche. Akzente mussten gesetzt werden. Die berufliche Zukunft der vier jungen Menschen, inzwischen alle Ende Zwanzig, musste sich langsam aber sicher entscheiden. Wenn man ins professionelle Musik-Business einsteigen wollte, dann jetzt. Ein längeres Warten oder Zögern würde sich hinterher als unverzeihlich herausstellen. Während Kevin nach dem Tod Trimmis immer tiefer und tiefer in seiner 28 versinkt und zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit hin und her pendelt, wollen auch Stephan, Gonzo und Pe auf zu neuen Ufern. Pe jobbt immer noch bei Boy London, leidet unter den Wutanfällen seines cholerischen Chefs und Gonzo reiht als Maschineneinrichter Nachtschicht an Nachtschicht. Die Cadillac Ranch, deren alleiniger Chef nun Stephan ist, nachdem Edmund Hartsch mit Axel Glittenberg auf Weltreise ging, kann bald die drohende und tatsächliche Konkurrenz der vielen Skateboard- und Szeneläden nicht mehr verkraften. Bis zum Herbst 1990 ist das einst gut gehende Geschäft kurz vor dem Bankrott. Zeit also für eine Neujustierung des Kompasses.

Wie so oft passieren die richtigen Dinge zur richtigen Zeit. Im Herbst 90 ruft Branko Zivanovic bei Stephan an. Der Chef der Bellaphon Frankfurt. Ein Label, das zwar bei großen Bands und Künstlern etwas verkannt war, weil es viele schlechte Volksmusiker und andere, wenig geschmackssichere Acts unter Vertrag hatte, aber die Strukturen waren mit denen der völlig lächerlichen Ein-Mann-Betriebe der Marke Egoldt oder Nowotny überhaupt nicht zu vergleichen, sondern besaßen beinahe Major-Niveau. Das erste Mal in ihrer Karriere werden in den Vertragsverhandlungen mit den Böhsen Onkelz Begrifflichkeiten wie „Vorschuss“, „monatliche Auszahlung“ und „Artist-Management“ erwähnt. Das war nun mal etwas völlig anderes.

Natürlich gab es gute Gründe, warum ausgerechnet die Bellaphon bei B.O. anklingelte und um ein Stelldichein bat. Zum einen lief über das Frankfurter Label der Vertrieb der Metal Enterprises Scheiben. Das hieß, dass man in der Führungsetage der Bellaphon immer ziemlich genau wusste, wie viel Einheiten die Onkelz von der „Onkelz wie wir“ bis zur „Es ist soweit“ absetzen konnten. Und besonders letztere verkaufte sich für eine Underground-Hardrock-Band, wie sie die Onkelz damals noch waren, sehr sehr ordentlich. Nein, nicht ordentlich. Die Verkäufe waren – wenn man die obskuren Vertriebswege und die sensationell beschämende Medienignoranz mit berücksichtigt – außerordentlich gut. Ungefähr 30.000 Einheiten wurden von der „Es ist soweit“ unter die Fans gebracht. Zivanovic fiel es nicht schwer sich auszumalen, wohin er die Band mit gescheiter PR und einem Management hinführen konnte. Zum anderen wollte man bei Bellaphon unbedingt neue Zielgruppen erschließen. Der Markt der Volksmusik war ein lukrativer, das schon, aber eben auch durchsetzt mit Klischees über Heimat, Berge, Ziegen, Maria, Josef und dem ganzen biederen, konservativen Scheiß. Die Onkelz würden die mittelgroße Frankfurter Plattenfirma plötzlich und über Nacht zum „Big Name“ unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen machen. Wenn das nicht gute Gründe waren, mal bei Weidner in der Cadillac Ranch anzurufen, welche waren es dann?

Bei den Vertragsgesprächen, bei denen Stephan und Gonzo anwesend sind, bietet man den Onkelz einen Künstlerexklusivvertrag über drei Studioalben plus einer Live-Option an – zu Konditionen, von denen Gonzo, Stephan, Kevin und Pe bislang nur träumen konnten. Ab hier ist klar: Mit der Unterzeichnung des Kontrakts geht man von jetzt auf gleich den Weg in die Professionalität. Man müsse sich fortan mit aller Konzentration und allem zu Verfügung stehendem Herzblut der Musik widmen. Alles klar. Alleine der Gedanke daran, Blaumann und Stechuhr hinter sich lassen zu können, beflügelt Gonzo. Stephan hat ebenfalls eine starke Vision. Die, eines immer größer werdenden Anti-Pols in der deutschen Musikindustrie. Und er ist sich sicher, dass seine Band das Zeug dazu hätte, dieser Gegenpol zu werden. Pe ist ebenfalls überglücklich über diese neue Chance zur Selbstverwirklichung, und Kevin… Kevin leidet weiterhin so sehr unter dem Trauma des getöteten Trimmi, dass er jegliche Emotionen mit Heroin abtötet. Dennoch scheint auch er in klaren Momenten von der neu eingeschlagenen Richtung der Band angetan zu sein.

Im Oktober 1990 feiern die Onkelz dann den Einstand bei Bellaphon. Es fließt eine Menge Alkohol, es werden eine Menge derber Witze erzählt, aber alles bleibt friedlich. Auch Kevin eskaliert nicht. Der Vertrag startet am 01. Januar 1991. „Auf in ein neues Jahr – Wir ham noch lange nicht genug…“

Bellaphon Party 1 Bellaphon Signing 1

IMG_0001 Bellaphon Signing 2

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