Timeline

zurück

Der im März auf rule23 erscheinende 14. Longplayer „Ein böses Märchen aus tausend finsteren Nächten“ verkauft in weniger als 48 Stunden über 370.000 Einheiten und steigt von null auf 1 in den Charts ein. Wiederum geht ein lautes Stöhnen durch den Äther der Radiostationen und Medienlandschaften. Die Radiosender boykottieren in ihrer Gesamtheit die Veröffentlichung. Nur eine Handvoll Sender sind bereit, einige Songs vom neuen Album zu spielen. Eine ausverkaufte Tour im Sommer mit mehr als 130.000 Besuchern führt die Onkelz zum Abschlußkonzert seit langer Zeit zum ersten Mal wieder nach Berlin, wo sie in der ausverkauften Waldbühne vor 22.000 Zuschauern einen furiosen Gig spielen. Trotz des neuen sensationellen Chartentrys, hält der Boykott der Industrie an. Die Konzerte sind dennoch ausverkauft.

Aufgenommen in den irländischen Totally Wired Studios / Dublin,  versprüht das Album Düsternis. Angefangen beim Artwork, um das sich erstmals die renommierte Berliner Grafikagentur „Die Gestalten“ kümmert, bis hin zu den Texten und Kompositionen ist „Ein böses Märchen…“ ein einstündige Lehrstunde über die Abgründe unserer Gesellschaft. „Knast“, „Exitus“, „Gesichter des Todes“, „Schutzgeist der Scheiße“ und so weiter. Einzig „Danke“ fällt aus dem Rahmen. Der Track, positiv und partytauglich, schließt den Kreis zu den Fans der Band, den Neffen und Nichten der Onkelz, mit denen vor zwanzig Jahren alles begann. „Onkelz 2000“ reißt die Jahre 1980-2000 in vier Minuten an und verzichtet dabei auf den ansonsten gern genommenen Pathos.

Stephan zu „Onkelz 2000„:

„Dieser Song war mein Single-Favorit. Auf den Text bin ich ziemlich stolz, denn neben dem Onkelz-üblichen Pathos, mit dem wir ja gerne spielen, geht aufgrund vieler Worte, die wir in dieser Form noch nie verwendet haben, neue Wege. Im Gegensatz zu vielen deutschen Rappern, die meinen, sie wären die Härtesten, wissen wir, wovon wir reden.“

Rock Hard, 2000

Gonzo und Stephan zu „Dunkler Ort“: 

Gonzo: Was ist eigentlich der „Dunkle Ort“? Oder welchen Ort würdest du als „dunklen Ort“ bevorzugen: Die Realität oder diese Traumwelt, die wir hier geschaffen haben?

Stephan: [Im Video gibt es zwei Welten,] zum einen diese Realitätsebene in ’ner Großstadt, die eigentlich x-beliebig austauschbar ist, auf der Flucht vor der Realität. Und zum anderen eine, wir nennen es mittlerweile die „Giger-Welt“, ein ja schon sehr düsterer Ort, wobei wir den als nicht so düster wie die Realität empfinden. Und diesen Kontrast mit ’nem „dunklen Ort“, den der Normalbürger als viel dunkler ansehen würde als seine eigene Realität – wir sind genau der gegensätzlichen Meinung. Und es ist natürlich für uns spannender gewesen, das auch so zu realisieren. […] „Dies ist ein dunkler Ort, weil du ihn dazu machst“ heißt, dass letztendlich jeder seine Umgebung selbst kreiert. Das heißt, je nachdem wie ich ’nen Gegenstand anblicke, welchen Blickwinkel ich habe, habe ich ’ne Möglichkeit, das anders zu visualisieren. Wenn ich meine Umwelt schwarz male, dann ist sie eben schwarz, obwohl sie vielleicht gar nicht schwarz ist. Das heißt also, ich kreiere diese Welt, und ich kann etwas sowohl positiv als auch negativ angehen. Und ich glaube halt, dass die Menschheit dabei ist, ’nen verdammt dunklen Ort zu kreieren und sich irgendwann mal ihren Platz unter’m Arsch wegzubomben, wenn sie nicht aufpasst. […] Wir hinterlassen letztendlich nichts, jeder lebt sein Leben irgendwie auf Nummer sicher, ich hab eben meinen Job von Nine To Five, und das war’s, damit bin ich zufrieden, tschüß. Keiner ist bereit, ein Risiko einzugehen, egal in welcher Form. Es geht jetzt nicht darum, wie lange jemand arbeitet, sondern wenn er sich beklagt darüber, dass er ’n Scheiß Job hat, dann soll er sich verdammt noch mal ’nen besseren suchen. Und das meine ich damit auch, mit dem „dunklen Ort“, den ich kreiere. Wenn er damit zufrieden ist, okay, wunderbar, da ist gar nichts dagegen zu sagen, aber mit eigener Unzufriedenheit andere zu belasten, damit schaffen wir eben diese negative Energie, die halt eben auf diesem Planeten mittlerweile zu oft vorkommt.

Making Of „Dunkler Ort“, 2000

Stephan zu „Zuviel“:

„Über Beziehungen wird schon genug geredet, aber nicht über Trennungen. Ich finde es sehr traurig, wie viele Leute, die lange zusammen waren, sich trennen. Da wird dann meist auch noch schmutzige Wäsche gewaschen. Dabei kann man sich eigentlich auch viel cooler voneinander lösen, wenn man den richtigen Moment abpasst und nicht so lange wartet, bis man sich total ankotzt. Wenn man in Beziehungen nicht mehr voneinander profitiert, und das Feuer nicht mehr lodert, sollte man die Sache beenden. So habe ich beispielsweise zu all meinen ehemaligen Freundinnen nach wie vor ein super Verhältnis.“

Rock Hard, 2000

Stephan zu „Gesichter des Todes“:

„Ich finde, dass wir immer perverser werden. Wir stumpfen immer mehr ab und irgendwann sind wir so abgestumpft, dass solche Sachen wie „Gesichter des Todes“ im Fernsehen laufen werden. Solche Sachen werden geguckt, sonst würde es sie nicht geben. Ich hab das Gefühl, wir werden alle zu Voyeuren, Sexisten oder komplett Wahnsinnigen. Das ist alles total krank und pervers. Wir entwickeln uns zurück in Richtung Steinzeit. „Big Brother“ ist genau das Gleiche. Wer das anschaut, ist ein Voyeur, genau wie einer, der sich Videos mit echten Todesszenen anschaut. Ich weiß nicht, was daran interessant sein soll. Ich mache mir keine Gedanken, warum Leute sich so was anschauen. Sie gucken das, weil sie gestört sind. Weil jemand den Schalter falsch umgelegt hat. Weil ihr eigenes beschissenes Leben so langweilig ist, dass sie sich diesen noch viel langweiligeren Rotz reinziehen. Ich finde die ganze Gesellschaft krank…“

Animalize, 2000

Tracklisting: „Ein böses Märchen aus tausend finsteren Nächten“

  • Onkelz 2000
  • Dunkler Ort
  • Exitus
  • Schutzgeist der Scheisse
  • Lüge
  • Knast
  • Cést la vie
  • Danke
  • Es ist wie es ist
  • Zuviel
  • Gesichter des Todes
  • Panamericana

Bohse_Onkelz_-_Ein_Boeses_Maerchen_b